Georg Joseph Kamel:
Apothecarius, medicus, botanicus.
Klaus Peper, Homburg, 1997
Georg Joseph Kamel wurde am 21.4.1661 in Brünn geboren und starb im Alter von 45 Jahren am 2.5.1706 in Manila auf der philipinischen Insel Luzon. Über seine Eltern sowie seine Jugend ist bisher nichts bekannt. Er besuchte jedenfalls in Brünn das Gymnasium und machte anschließend in einer Apotheke eine Lehre in Pharmazie. Mit 21 Jahren trat er in das Noviziat der Jesuiten in Brünn ein und legte ein ewiges Gelübde als Laienbruder (Hermano) ab. Er war im Jesuitenkolleg in Brünn, später in Neuhaus sowie Krummau (alle in Mähren, damals östereichisches Kronland), jeweils als Gehilfe des Apothekers tätig.
Die böhmische Apothekerausbildung galt als sehr gründlich. Es ist nicht überliefert, ob Kamel seinen Magister gemacht hat, es ist eher wahrscheinlich, daß er auf Grund seiner gründlichen Ausbildung bereits als Pharmaziegeselle vom Jesuitenorden auserwählt wurde, dem Orden in Übersee zu dienen. Apotheker waren dort nämlich außerordentlich begehrt, weil der Missionsdienst sehr ungesund war und viele Padres in den Tropen schon mit jungen Jahren von Malaria, Thyphus, Amöbenruhr und anderen Fiebern dahingerafft wurden.
Nach spanischem Recht durften die Apotheker offensichtlich auch als Arzt tätig werden. Wie auch immer, aus Begeisterung, freiwillig oder auf Geheiß des Ordens, Georg Joseph Kamel entschied sich mit 26 Jahren für den Dienst in Übersee. Er reiste über Genua nach Cadiz und wartete mit 40 Missionaren auf die Überfahrt. Er wurde mit 6 Padres und einem weiteren Laienbruder für den Dienst auf den Philipinen und Marianen bestimmt.
Der Reiseweg ging zunächst per Schiff nach Vera Cruz im Golf von Mexiko, von dort auf dem Rücken eines Maulesels nach Acapulco. Weiter ging es wieder per Schiff zu den Philippinen. Die normale Ostroute um die Südspitze Afrikas war durch die Portugiesen versperrt, und auch die genannte Route war durch den verlustreichen Kaperkrieg der Engländer, Holländer und Franzosen sehr gefährlich. Kamel und seine Mitbrüder erreichten Manila ohne Zwischenfall im Jahre 1688. Manila -von den Spaniern1571 als Hauptstadt der Philippinen gegründet- wurde innerhalb kurzer Zeit der spanische Umschlagsplatz für die begehrten kostbaren Waren des Ostens, insbesondere China.
Kamel zog in das dortige Jesuitenkolleg und richtete unverzüglich eine Apotheke ein. Sein besonderes Interesse galt den einheimischen Heilpflanzen, und sein Bestreben war, diese zu sammeln und deren Inhaltsstoffe kennenzulernen. Zu diesem Zweck eignete er sich Kenntnisse in der philippinischen Eingeborenensprache an.
Mit seiner gründlichen pharmazeutischen
Ausbildung war er sehr schnell in der Lage,
Rezepturen mit den neuen Pflanzen viel
zuverlässiger anzugeben als die
Einheimischen, die oft aus Unkenntnis zu
viel oder zu wenig der Wirkstoffe anwandten.
Seine erfolgreichen Rezepturen brachten ihm
frühzeitig einen Ruhm, der über die
Hauptinsel Luzon hinausging, und
begründeten seinen Ruf als erfolgreicher
Arzt. Er behandelte Bedürftige ohne Honorar,
seine Apotheke warf jedoch insgesamt
Gewinn ab. Das Vertrauen der Eingeborenen
half ihm sehr bei der Suche nach neuen
Heilkräutern.
Als philippinische Händler in Madras
(Westküste Indiens) herumerzählten, in
Luzon sei einer, der Pflanzen sammelt,
wurde der Arzt der englischen East India
Company, Dr. Brown, hellhörig. Samuel Brown
stand in Verbindung mit den beiden
hervorragenden Botanikern der Zeit, John
Ray und James Petiver in England. John Ray
hatte gerade zwei Bände seiner bedeutenden
'Historia Plantarum' herausgegeben, in der
er alle Pflanzen beschrieb, die er selber
kannte, und plante einen weiteren Band mit
Beschreibungen, die ihm aus anderen Ländern
zugesandt werden sollten. Der Apotheker
James Petiver sammelte alle möglichen Kuriositäten
der Welt und beschrieb sie in seiner
'Gazophylacium Naturae et Artis'.
Durch die Vermittlung von Samuel Brown kam es zu
einem regen Briefaustausch zwischen Ray/Petiver
und Georg Joseph Kamel. Kamel wurde angeregt,
das gesamte botanische Material auf den
Philipinen zu sammeln,
zu zeichnen und zu beschreiben. Dieses wertvolle
Material gelangte über Madras nach England,
aber nicht immer sicher: Eine der Hauptlieferungen
des 'Philippinischen
Herbars' wurde 1698 von Chinesischen
Seeräubern aus einem gekaperten Schiff ins
Meer geworfen. Wenigstens hatte Kamel vorher
von den Zeichnungen Duplikate angefertigt,
der Verlust war trotzdem sehr herb. Über
Kamels botanische, später auch zoologische
Sendungen wurde in England laufend berichtet,
von Petiver in den Gazophylacii und in den
Philosophical Transactions der Royal Society,
sowie von Ray in seinem dritten Band der
'Historia Plantarum', wo er Kamel direkt zu
Wort kommen läßt.
Der gesamte Nachlaß der Sammlungen Petiver's
und Ray's und damit auch die gesamten
Herbarstücke und Briefe des Georg Joseph
Kamel wurde von Sir Sloane später aufgekauft.
Dies war der historische Beginn der
Sammlungen des Britischen Museums. Sir
Sloane hatte eine besonders glückliche Hand
bei dem Erwerb von botanischen seltenen Manuskripten:
er ersteigerte auch den gesamten Nachlaß von
Engelbert Kaempfer in einer Auktion in Lemgo/Westfalen.
Georg Joseph Kamel gehört ohne Zweifel zu den
botanischen Dinosauriern aus der Zeit vor
Linne. Sein Name wird nicht immer
einheitlich geschrieben, manchmal als Kammel,
in Spanisch Camel.
Die Lingua franca der Zeit war Latein, Kamel
konnte kein Englisch und schrieb Ray, er
möge doch lateinisch schreiben, damit er den
Sinn seiner Briefe erfasse. Kamel selber
latinisierte seinen Namen als Georgius
Josepho Camelus. Im Briefwechsel werden von
den Engländern fast alle Variatonen
gebraucht: Kamel, Camel, Camelus, Camellus.
Die Engländer reden ihn meist mit Padre
Camellus an, obwohl er niemals die
Priesterweihe empfing. Er erneuerte 1696 in
Manila seinen ewigen Eid als Laienbruder.
Nur 18 Jahre seines kurzen Lebens konnte sich
Kamel dem Studium und der Beschreibung der
philippinischen Pflanzenwelt widmen. Selbst
die genaue Kenntnis der einheimischen
Heilkräuter konnte ihn nicht vor dem
Schicksal der europäischen Missionare und
Verwaltungsbeamten im mörderischen,
feuchtheißen tropischen Klima in Manila
retten: der Tod mit 45 Jahren durch eine
Darminfektion.
Offensichtlich beeindruckt durch die
Verdienste des Georg Joseph Kamel hat Linne
ihm zu Ehren eine Pflanzengattung benannt:
Camellia. Kamel hat diese Pflanzen niemals
beschrieben und wahrscheinlich niemals
gesehen. Allerdings sollte Kamel den Tee
gekannt haben: Es gab zu seiner Zeit bereits
viele Chinesen auf Luzon, und Meister
berichtet 1692, daß es Teehäuser in Java und
in Batavia gab, also wohl auch auf Luzon.
Literatur: Josef u. Rene Gicklhorn:
Georg Joseph Kamel S.J; Eutin, 1954.
Anmerkung S.J.:(Gesellschaft Jesu, lat. Societas Jesu, Abk. SJ)
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