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Über das Stratzen der Kamelien-Läuse

Klaus Peper

Läuse haben ein besonderes Problem:
sie verwerten aus den angezapften Pflanzensäften vorwiegend den Eiweißanteil. Da die Säfte aber hauptsächlich reinen Zucker enthalten, müssen die Läuse diesen loswerden.
Somit scheiden sie regelmäßig Kügelchen aus, die man auch "Honigtau" nennt. Dieser ist eine ziemlich konzentrierte Lösung von reinem Rohrzucker und schmeckt sehr süß.
Ameisen, Bienen und Menschen machen sich dies zu nutze: Ameisen besuchen Blattläuse regelmäßig, Bienen suchen die Ausscheidungen von Schildläusen im Wald (dies ergibt den guten "Waldhonig") und die Sinai Schildlaus gibt den Honigtau auf die Blätter der Tamarisken, auf denen sie leben. Beduinen sammeln diesen Zucker und verkaufen ihn schon biblisch als Manna.

Das besondere Problem: die Entsorgung des Biomülls um die Läuse herum. Würde der klebrige Saft einfach ausgeschieden, so würden die ortsfesten Läuse sich selbst verkleben. Die Lösung: mit Schwung über Bord!! Die Läuse sind gezwungen, den Honigtau wegzuschiessen. So erklären sich auch die Spuren von Honigtau an Glasscheiben, oft parabolisch gekrümmt.

Das Problem der Läuse ist besprochen, aber meines ist wie folgt: Der Honigtau wird durch Darm und After ausgeschieden. Pfui. Soll mein Artikel über das Verdauungsverhalten der Läuse gehen? Ich habe daher eine mundartliche Anleihe gemacht: Stratzen bedeutet in Sachsen und im Rheinland: schnell abhauen, im Saarland aber: den Kot mit "Pfiff" und Geschwindigkeit absetzen: einige Vögel stratzen sehr anschaulich, ich sehe das von Zeit zu Zeit an meiner Windschutzscheibe. Ich habe die Bedeutung des Wortes im Internet abgeklärt. Ich finde das Bild des "Stratzens" für Läuse besonders anschaulich.


Über das Weitstratzen der Schildläuse

Ich habe hier die abgeschossenen Zuckerkugeln in einer Plexiglasschale (Petrischale) eine zeitlang aufgefangen. Die Schalen habe ich dann im Dunkelfeld fotografiert.


In diesem Diagramm saß die Schildlaus (am Ast) senkrecht 20mm oberhalb des roten Punktes. Die gestratzten Zuckerkugeln landeten 33mm entfernt schräg (etwa 30°) rechts (am blauen Punkt). Einige Läuse treffen hintereinander ziemlich genau denselben Punkt (Zielfeuer), andere hingegen streuen ziemlich (Sperrfeuer). Schildläuse hängen sowohl kopfoben, als auch kopfunten am Ast. Es gibt weiterhin Rechts- und Linksstratzer, wobei die Rechtsstratzer (kopfoben oder kopfunten) zu überwiegen scheinen. Vielleicht ist dies auf der Südhalbkugel anders herum??

Die Stratzparabel

Die Zuckerkugel wird von der Schildlaus in einer Höhe von h= 20 mm waagerecht abgeschossen. Die Kugel durchläuft dabei eine Parabel und trifft bei x= 33 mm Entfernung auf die Schale. Folgende Formeln sind anzuwenden:
h=(g/2)t2 und x=vxt, wobei g=10 m/s2.
Aus diesen Daten ergibt sich die Abschussgeschwindigkeit der Zuckerkugel zu

0,72 m/s

Rechnet bitte einer nach??

Wie die Laus im Einzelnen die Zuckerkugel auf diesen Wert beschleunigen kann, ist unklar. Jedenfalls fährt sie im gegebenen Moment aus dem Schildpanzer die Schiessanlage heraus (zwei Deckel öffnen sich), es wird sichtbar die Kugel geformt und dann abgeschossen, wie aus einem Mörser ohne Rohr. Das ganze erinnert an die Anlagen in der Maginot-Linie. Nach vollbrachtem "Geschäft" wird die Anlage wieder eingefahren.


Über die Stratzfrequenz (24-Stunden Scheibe)

Ich habe hier die Schale auf die Zeitscheibe einer üblichen Zeitschaltuhr gesetzt und die abgeschossenen Zuckerkugeln so aufgefangen. Da die Scheibe sich im Uhrzeigersinn unter der Schildlaus dreht, sind die aufgefangenen Markierungen entgegen dem Uhrzeiger zu lesen. Die Nacht beginnt also links vom Start um 19.00 Uhr..


Alle 18 Minuten (durchschnittlich) schießt diese Schildlaus eine Kugel von etwa 0,1 µl ab. Das ergibt pro Stunde etwa 0,4, proTag etwa 10 µl, im Monat etwa 0,3 ml.


Diese Schildlaus wurde 3 Tage beobachtet. In 12 Stunden (nachts) hat sie ziemlich regelmäßig etwa alle 24 Minuten eine Zuckerkugel abgeschossen. Tagsüber sind die Intervalle oft größer.


Auch bei dieser Laus ist die Abhängigkeit der Stratzfrequenz von der Temperatur zu sehen: nachts 20°C, tags 32°C.

Schildläuse zählen zu den saugenden Insekten. Dies ist aber offensichtlich nicht so richtig: sie stecken zwar eine Röhre in die zuckerführenden Gefäße der Pflanze, aber sie lassen sich bedienen: durch diese Röhre wird die Zuckerlösung durch den Turgor der Pflanze nach außen (in die Laus) gedrückt. Wenn man die Laus entfernt, so bleibt der Rüssel oft stecken, und hier kann man unter dem Mikroskop dann beobachten, wie sich auf dem Rüsselrohr eine regelmäßig größer werdende Zuckerblase bildet.
Somit ist zu vermuten, daß nicht die "Saugaktivität" der Laus die Frequenz der Zuckerabgabe bestimmt, sondern vielmehr der Turgor der Trägerpflanze. Wenn also die Pflanze am Nachmittag in einen Wasserstress kommt (zuwenig Wasserangebot aus den Wurzeln), so muß zwangsläufig der Abstand der abgeschossenen Zuckerkugeln wachsen.

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