Zunächst möchte ich einen Absatz aus dem Buch des Georg Meister
"Der Orientalisch- und Indianische Kunst -und Lustgärtner",
erschienen in Dresden 1692, vorlesen:
Arbor Zuwacky, oder Sasanqua auf chinesisch. Ist ein kleiner Baum , 6 bis 8 Fuß hoch, hat dicke steife und rund gekerbte Blätter, wie Birnbaumblätter. Seine Blumen sind rot, wie Malva hortensis., einfach und doppelt. Wenn sie 6 Tage geblüht, fallen sie ab und bringen einen schwarzen Samen wie Teesamen hervor. Die Zweige sind aschgrau, ausbreitend von ihrer Wurzel. Von dem getrockneten Samen schlagen sie Öl ab, mit welchem, wegen des guten Geruchs, das japanische Frauenzimmer in ihre langen schwarzen Haare schmieren, desgleichen auch die Jünglinge von 15 bis 16 Jahren, ehe sie ihr Haar abschneiden lassen, welches in ihrer Sprache Wackassy heißt. Die Blätter fallen ab und kommen mit dem Frühling samt ihrer Blüte wieder hervor. (Zitat Ende)
Georg Meister war Gärtner und unternahm zwei Reisen nach Japan, Siam und chinesische Küste. Er nennt 87 Pflanzen mit einheimischen Namen. Der Baum heißt bei Engelbert Kaempfer (1651-1716) Tsubakki,auf chinesisch: Sa, Sjun, San, Sa Dsisi und Sasanqua.Carl von Linné (1707-1778) hat ihn später Camellia japonica genannt. Meisters Text ist (zur Zeit) die erste bekannte Beschreibung in der gesamten westlichen Welt. Diese Aussage ist nach neuesten Erkenntnissen wahrscheinlich überholt.
Der Weg der Kamelien nach Deutschland.
Die Kamelie kam gleich dreimal nach Deutschland, wenn wir den Geschichten Glauben schenken, die so
so erzählt werden.
Im Jahre 1799 veranlaßte angeblich die Zarin von Rußland, daß vier Kamelien aus Japan (?) nach Dresden, Schönbrunn/Wien, Herrenhausen und Kew Garden (London) gebracht wurden Aufzeichnungen darüber gibt es nicht, aber 1799 listet der Dresdner Hofgärtner Johann Heinrich Seidel die Camellia japonica in den Hofbeständen auf. 1801 pflanzt der Gärtner Teschnik oder Terscheck eine Camellia ins Freie, die heute eine der dendrologichen Hauptattraktionen Deutschlands ist. Nach der offiziell vertretenen Meinung ist Camellia japonica, die in den Pflanzensammlungen des Schlosses Pillnitz angeblich seit 1770/71 vorhanden sein soll und damals angeblich schon ein Alter von zwanzig bis dreißig Jahren hatte, die älteste noch lebende Kamelie in Europa. Andere Quellen besagen, daß die Camellia durch Karl Peter Thunberg nach seiner Reise von Batavia und Japan über Kew Garden nach Pillnitz gelangt sein soll. Da unter mitteleuropäischen Verhältnissen Kamelien nicht ohne Winterschutz im Freien kultiviert werden können, pflanzte Terschek sie auf einer Fläche aus, die währen des Winterhalbjahres mit einem beheizbaren, hölzernen "Conservationshaus" überbaut wurde. über das Aussehen dieses seit 1782 existierenden Hauses findet sich bei K.Sprengel (1804) die folgende Beschreibung:
Eine vortreffliche Einrichtung ist es, daß eine Menge mittelländischer und nordamerikanischer Bäume, zum Beispiel Cercis Siliquastrum, Magnolien, Feigenbäume, Granaten usw. stehen, und das im Winter um den ganzen Platz wo sie stehen ein hölzernes Haus aufgeführt wird. Das Haus ist von Fachwerk und die Fächer sind von doppelten Brettern versehen, deren Zwischenraum mit Laub ausgefüllt wird. An der Südseite des Hauses werden neun große Fenster eingesetzt. Es gewährt einen köstlichen Anblick unter blühenden Johannisbrotbäumen, Magnolien, Nüssen und ähnlichen seltenen Bäumen umherzugehen. (Zitat Ende.)
Bei Temperaturen um -20°C fiel ein Nachfolgebau dieses Hauses in der Nacht vom 2. zum 3. Januar 1905einem Brand zum Opfer. Die Kamelie soll nach dem Löschen einem Eisberg geglichen haben. Sie verlor sämtliches Laub und auch die jungen Triebe wurden vernichtet. Das alte Holz jedoch blieb lebensfähig,und nach zwei Jahren sorgfältiger Pflege hatte die Kamelie ihre frühere Schönheit wieder erreicht.
Im Jahre 1992 wurde ein neues fahr- und zerlegbares Glashaus errichtet. In den tragenden Elementen ist gleichzeitig die Heizung eingebaut. Auf diese Weise können Überwinterungstemperaturen von +5°C gewährleistet werden. Derzeit hat die Kamelie eine Höhe von 9 m und einen Durchmesser von 11 m, der Stammdurchmesser beträgt 60 cm. Das Glashaus hat eine Höhe von 13,20 m und einen Durchmes-ser von 14,28 m. Die einfach roten Blüten mit einem Durchmesser von 5 - 6 cm sind vom Februar bis April zu bewundern.Doch zurück zu J.H.Seidel. Er war sehr gebildet, herumgereist und reproduktiv, zeugte 10 Kinder, unter ihnen 4 Gärtner: Jacob Friedrich, Traugott Leberecht, Gottlob Heinrich und Carl August. Er schickte sie, wie es damals üblich war, zur Ausbildung nach Österreich, Holland, Frankreich und England. Jacob Friedrich war gerade 2 Jahre als Inspekteur in Paris am Jardin des Plantes zog von dort im Frühjahr 1813 mit drei Kamelien im Gepäck nach Erfurt und dann nach Dresden. Hier gründete er zusammen mit seinem Bruder Traugott die Gärtnerei Jacob Traugott Seidel. 1818 verließ Traugott die Gärtnerei, um Hofgärtner zu werden. Tesnier führt 1911 an, der Seidel'sche Katalog habe 1820 sechs Camelliasorten angegeben. Um 1850 herum war die J.&T.Seidel'sche Gärtnerei eine weltbekannte Firma. Für den russischen Adel war es Verpflichtung auf seinem jährlichen Parisbesuch in Dresden Halt zu machen, um die Kamelienblüte dort zu erleben und um Pflanzen zu erstehen. Jacob wurde der Kamelienjacob genannt. Er gab 1830 seine erste Kulturanleitung heraus, der 1837 die nächste folgte (alle leider ohne Sortenangaben). Eine weitere Anleitung von 1848 ist zur Zeit verschollen. Nun wieder zurück zu 1815. denn in diesem Jahr waren andere schneller. Zum Beispiel Bruder Heinrich Gottlob Seidel, der angeblich in Malmaison bei Paris stationiert war und dort seinen Rucksack mit Kamelienpflanzen füllte, zeigte 1816 im Allgemeinen Teutschen Garten Magazin an, daß er in seiner Dresdner Firma unter vielen anderen auch 13 Kameliensorten liefern kann, die er auflistet. Wahrscheinlich hat er seine Pflanzen aus England bekommen, wie der Leipziger Handelsgärtner Breiter auch, der am 13. Oktober 1814 eine Sendung mit 16 gefüllten Sorten erhielt und bei dem schon 19 Sorten im Garten stehen. Bemühen wir die Geschichte und nicht Geschichten, so muß gesagt werden, daß die C. japonica (Wildform) in England vor 1800 überall zum Kauf angeboten wurde und selbstverständlich an die europäischen Schaugärten gelangte (Dietrich 1802). Im Jahre 1810 gibt das Allgemeinen Teutschen Garten Magazin bekannt, daß außer der roten einfachen Kamelie in England noch zwei weitere, zwar äußerst selten, aber bekannt seien: Alba plena und Variegata.
Der Herausgeber zeigt auch gleich zwei wunderschöne Kupferstiche, Kopien von Andrews 1797 und fügt ein eigenes Bild der Wildform bei. Übrigens, die erste farbige Darstellung Europas. Der plötzliche Sortensprung von 1810 bis 1814 erklärt sich aus dem Ende der Kontinentalsperre, während derer jede aufgebrachte Schiffsladung von Pflanzen nach Malmaison - wo Napoleons erste Frau lebte - gebracht wurde. Die deutschen Gärtnereien hatten zu dieser Zeit sicher noch nicht das Wissen, Kamelien in größerer Zahl zu vermehren und waren auf Lieferungen aus England angewiesen. Unter die Handelsgärtner, die Kamelien anbieten, mischt sich auch bald Bruder Carl August Seidel. Deshalb wundert es nicht, wenn in allen Seidel'schen Anzeigen darauf hingewiesen wird, doch bitte die jeweiligen Vornamen auf den Bestellungen anzugeben. Es war allerdings Jacob Seidel, der den entscheidenden Sprung nach vorne schaffte, in der er erkannte, daß der Dresdner Raum hervorragend für die Vermehrung geeignet ist (Klima, Wasser, Erde). Um 1840 exportierte er Kamelien in alle Welt: Rußland, Afrika und USA, wo die Dresdner Kulturen sehr gerühmt wurden. Exporte von 100 000 Stück im Jahr werden berichtet.
Auf meiner Kameliensuche in Griechenland wurde mir erzählt, daß auch die Kamelien in Griechenland wahrscheinlich aus Dresden stammten.
Jacob Seidel hat damit die erste Spezialkultur für Topfpflanzen begründet und gleichzeitig den Grundstock für einen bedeutenden Zweig des sächsischen Gewerbes gelegt. Neuzüchtungen sind aus Dresden allerdings nicht nennenswert bekannt geworden. Deutsche Züchtungen wurden in Frankfurt/Main von Rinz auf den Markt gebracht: C.Francofurtensis und Gunnelli.
Viele der damals gezogenen Sorten, ungefähr 1500, sind heute verschwunden, nur noch wenige davon sind im Handel. 1824 kultivierte Seidel 19 Sorten. 1846 wird von 540 Kameliensorten berichtet und im Jahre 1862 soll Seidel sein Kameliensortiment von 1100 auf 500 reduziert haben. Heute steht die Seidelsche Sammlung unter Denkmalschutz und wird mit großem Aufwand und viel Liebe von der Familie Riedel am Schloß Zuschendorf gehegt.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Euphorie für Kamelien merklich ab. Die Ursache hierfür war die sich ändernde Mode. Die Gärtner wandten sich mehr der Produktion von Schnittblumen zu, diese waren leichter und kostengünstiger zu erzeugen. Die Wohnungen wurden komfortabler, durch die Zunahme von Zentralheizungen wurde es immer schwieriger, Kamelien in der Wohnung zu halten.
Aus Mangel an Pflegekenntnissen wandern noch heute 90% aller verkauften Kamelien wegen vorzeitigen Ablebens im Müll. Dies beklagte schon Seidel und gab eine umfangreiche Pflegeanleitung heraus. Bald machte in den Zuchtbetrieben die Kamelienproduktion nur noch wenige Prozente aus. Bis vor wenigen Jahren war auf dem deutschen Markt fast ausschließlich die C.japonica Chandleri Elegans im Handel. Das hat sich inzwischen etwas geändert, viele große Kamelienzuchtbetriebe in Frankreich, Italien, Belgien und Holland exportieren in beträchtlicher Sorten- und Artenvielfalt nach Deutschland. Erfreulicherweise gibt es jetzt auch in Deutschland vermehrt Betriebe, die dafür sorgen, daß eine größere Sorten- und Artenvielfalt auf den Markt kommen. Dennoch ist der Bekanntheitsgrad der Kamelie in Deutschland sehr gering. Auch wenn die steigende Zahl der Mitglieder in der deutschen Kameliengesellschaft einen anderen Anschein erwecken. Eine besondere Vielfalt im Angebot hat der Kamelienzuchtbetrieb von Peter Fischer, Wingst, in norddeutschen Küstenraum, der sich auch schon mit einigen besonders attraktiven Neuzüchtungen hervorgetan hat.
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Deutschlands Klima
Deutschland liegt geographisch gesehen zwischen dem 47. und 55. Grad nördlicher Breite, Miyazaki dagegenim Bereich des 32. Grad nördlicher Breite. So fragt man sich, wie können Kamelien in dieser kalten Gegend gehalten werden? An ihrem Heimatstandort findet die C.japonica die Klimazone 8 bis 9 vor. Der nord-westdeutsche Küstenbereich , begünstigt durch den Golfstrom, liegt in der Zone 8 mit einer durchschnittlichen Wintertemperatur von -12,2°C bis -9,5°C. Westdeutschland entlang des Rheins bis in die norddeutsche Tiefebene liegt in der Zone 7 mit Temperaturen -17,7°C bis -15°C. Innerhalb dieser Zonen gibt es noch kleinklimatische Ausnahmen der Zone 8. Östlich davon haben wir, bedingt durch die Mittelgebirge je nach Höhenlage und dem starken Einfluß des Kontinentalklimas eine Mischung aus Zone 7 und 6. Die Zone 6 bedeutet eine mögliche Wintertemperatur zwischen -23,3°C bis 20,6°C. Das heißt, erfolgsversprechende Kamelienkultivierung ist im freien in Deutschland hauptsächlich in den Klimazonen 8 und 7 sowie in zweifelsfrei vorhandenen günstigen Klimazonen gegeben. Ich selbst wohne in einer Klimazone 6 a (die Schwäbische Alb, ein Mittelgebirge Süddeutschlands) und habe 1993 zwölf Kamelien ausgepflanzt. Alles Sorten, denen man eine besondere Winterhärte nachsagt, davon keine unter 8 Jahre alt und die im Herbst einen prächtigen Blütenansatz hatten. Trotz Winterschutz mit Laub und Schilfmatten fand ich im Frühjahr nur stark geschädigte Pflanzen vor, die sich in dem Jahr einigermaßen erholten, jedoch nicht blühten. Im Frühjahr 1995 sah das Bild der Zerstörung noch schlimmer aus. Vier Pflanzen waren ganz erfroren, so daß ich die anderen Reste wieder eintopfte und wie bisher im Gewächshaus überwintere. Ich liebe meine Kamelien und will mich an ihren Blüten erfreuen und nicht im Frühjahr vor den traurigen Resten stehen und mit Genugtuung sagen, sie haben überlebt! In meinen beiden Gewächshäusern habe ich zur Zeit 70 Kamelien in 60 Sorten und 7 Arten und erfreute mich an ihrer Blüte von September bis in den Mai.
Diese Aussagen sollten sie nicht abhalten, einmal nach Deutschland zu reisen, um sich dort die Kamelien in der Umgebung schöner botanischer Gärten anzusehnen. Die Reiseroute könnte so aussehen:
- Berlin-Dahlem, Botanischer Garten Museum
- Hamburg, Botanischer Sondergarten
- Wingst bei Cuxhaven, Kamelienzuchtbetrieb des Peter Fischer
- Bremen, Botanischer Garten und Rhododendronpark
- Hannover-Herrenhausen, Herrenhäuser Garten
- Leverkusen, Japanischer Garten
- Essen, Gruga Park
- Frankfurt, Palmengarten
- Stuttgart, Zoologisch-botanischer Garten Wilhelma
- Tübingen, Botanischer Garten
- Insel Mainau
- Zuschendorf, Seidel'sche Sammlung
- Pirna, Schloß Pillnitz mit C.japonica über 200 Jahre alt.
Entdecken können Sie auch in Rheinland-Pfalz in Gleisweiler bei Landau 10 Kamelien in Kübeln, die alle älter als 150 Jahre sind, eine Sortenbestimmung wurde bisher noch nicht durchgeführt.
Durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Kameliengesellschaft, ist es wohl gelungen, den Bekanntheitsgrad zu steigern. Aber auch einige Gartenzeitschriften haben sich des Themas angenommen. So dass auch dadurch die Zahl der Liebhaber zugenommen hat. Durch Information über die Kulturansprüche der Kamelie, haben viele den Mut bekommen, in ihrem Garten, Gewächshaus, Wintergarten und auf dem Balkon Kamelien zu halten. Spezialisierung gibt es ich auch schon, so hat zum Beispiel die Familie Urban in Frankfurt nur weiße Kamelien in ihrem Garten. Der Apotheker Jost Wallis hat am Rande von Ibbenbüren bei Osnabrück ein Arboretum angelegt, in dem er unzählige Bäume und Sträucher aus aller Welt hegt, darunter auch eine große Zahl Kamelien. Wettbewerbe, wie ich sie in Neuseeland und USA, um die schönsten Blüten und Arrangements erlebt habe, gibt es bei uns nicht. Das Vereinsleben beschränkt sich mehr oder weniger darauf, daß von Zeit zu Zeit Regionaltreffen stattfinden zum allgemeinen Gedankenaustausch. Überregional findet einmal jährlich eine Hauptversammlung statt. Auch werden Reisen in Gebiete mit besonders schönen Kamelien organisiert.
Alle Kamelienfreunde hoffen, daß wir in Zukunft gemäßigte Winter haben werden und den Züchtern es gelingen möge, mehr wirklich kälteresistente Kamelien auf den Markt zu bringen. Daß wir in Deutschland vor Kamelienkrankheiten bewahrt bleiben. Daß sich der weltweite Zusammenhalt der Kamelienfreunde stärken möge.
An dieser Stelle geht auch mein Dank an Herrn Professor Dr. Klaus Peper, der mit viel Mühe Licht in das
Dunkel der Geschichte der Kamelien in Deutschland gebracht hat.
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